"Entartet"? - Kunst-Geschichte(n) in der Galerie Holger John
Michael Ernst
Dresden war nicht die unschuldige Stadt im beschaulichen Elbtal. In ihr gab es eben nicht nur das erste zum Kaffeefiltern umfunktionierte Löschblatt der biederen Hausfrau Melitta, sondern auch die erste Bücherverbrennung am 7. März 1933 und im September 1933 die deutschlandweit erste Ausstellung unter dem Titel "Entartete Kunst".
In der Galerie Holger John erinnert der Künstler-Galerist in seinen immer noch neuen Räumen im sogenannten Barockviertel an diese beschämende Vorreiterrolle Dresdens in Sachen Ausgrenzung von missliebigen und/oder querulanten Künstlern. Von Barlach und Beckmann werden da über Dix, Grundig und Kollwitz, Munch, Nolde und Querner bis hin zu Schmidt-Rotluff und Zille Künstler gezeigt, die sich irgendwie abgegrenzt haben zum deutschen Nationalsozialismus. Erstaunlicherweise gibt es beim Entree aber erstmal Flugblätter, die einst zum Pfennigpreis den Ungeist des Ersten Weltkriegs beflügeln sollten. Ernst Barlach, Gerhard Hauptmann, Käthe Kollwitz und selbst Max Liebermann beteiligten sich daran; künstlerisch durchaus eindrucksvoll, inhaltlich haben sie sich rasch wieder davon abgewandt.
Insgesamt überzeugt diese in Kooperation mit der Berliner Fresh-Eggs-Gallery sowie zahlreichen privaten Leihgebern entstandene Ausstellung mit einem breiten Spektrum an Themen und Genres. Nicht ansatzweise sollte der Versuch einer Rekonstruktion jener Schau von "Entarteten" gewagt werden, vielmehr bietet diese Auswahl Raum zum Nachdenken über das Wirken von Kunst. Darin finden sich Darstellungen revolutionärer Szenen aus den Jahren lange vor 1914 und nach 1945 etwa auf Blättern von Kollwitz, Fritz Cremer und Heinrich Ehmsen. Es sind rein lyrische Momente vertreten, die von Brücke-Künstlern wie Otto Mueller und Max Pechstein geschaffen wurden. Menschen-Bilder von Otto Dix wagen mutig Farbe, Zille-Portäts entlarven jedes Idyll, Porträts von Curt Querner weisen eindrückliche Kontinuitäten auf, die sich aus dem Geist der einst Verfemten speisen. Überraschungen freilich gibt es auch, beziehungsweise gab es: Eine Zeichnung der Gurlitt-Schwester Cornelia (die sich mit 29 Jahren das Leben nahm) von Conrad Felixmüller wurde umgehend erworben. Die Plastiken von Ernst Barlach und Gerhard Marcks scheinen eigenständiger Charakteristik zu sein, verbinden dann aber doch die Epochen und Stile. Selbst ein strenges Schostakowitsch-Porträt passt irgendwie doch, denn es kündet von einem Geschundenen, der sich in leidvollen Zeiten mit großer Kunst zu behaupten verstand.
Den direkten Weg von der "Entarteten Kunst" zum 13. Februar 1945 weisen schließlich Rudolf Krügers knallgelbe "Sonnenblumen vor Ruinen" und die Schwarz-Weiß-Fotografien des alten Dresden.
bis 1. März.
Galerie Holger John. Rähnitzgasse 17
täglich 14 bis 19 Uhr
Tel. 0162 4772739
www.galerie-holgerjohn.com
Aus den Dresdner Neuesten Nachrichten vom 21.02.2014.